Gentamicin ist ein Aminoglykosid-Antibiotikum, das sowohl in der Ruhe- als auch in der Proliferationsphase der Bakterien bakterizid wirkt. Der Mechanismus beruht auf Hemmung der Proteinbiosynthese durch Bindung an die 30S-Untereinheit der Ribosomen.
In der Regel empfindliche Spezies: Staphylococcus aureus, Staphylococcus saprophyticus, Citrobacter freundii, Enterobacter aerogenes, Enterobacter cloacae, Escherichia coli, Klebsiella oxytoca, Klebsiella pneumoniae, Proteus vulgaris, Salmonella enterica (Enteritis-Salmonellen), Serratia liquefaciens, Serratia marcescens
Spezies, bei denen erworbene Resistenzen ein Problem bei der Anwendung darstellen können: Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus haemolyticus, Staphylococcus hominis, Acinetobacter baumannii, Morganella morganii, Pseudomonas aeruginosa, Proteus mirabilis
Folgende kinetische Parameter wurden bei Frühgeborenen ermittelt (Avent et al 2002):
<1200 g
1200-2000 g
> 2000g
t½
10,3 Stunden
6 Stunden
5,9 Stunden
Vd
0,66 l/kg
0,58 l/kg
0,57 l/kg
Cmax
8 mg/l
8,6 mg/l
8,9 mg/l
Bei Neugeborenen mit Hypothermie bei hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie (HIE) ist die Clearance von Gentamicin reduziert (Frymoyer et al., Mark et al., Ting et al.).
Bei Neugeborenen unter ECMO-Therapie kann das Vd auf 0,5 - 0,75 l/kg erhöht und die t1/2 auf 7,6 - 10 h verlängert sein (Buck 2003, Moffett 2018).
5
mg/kg/Tag
in 1
Dosis über 15-30 Minuten verabreichen.
Bei Sepsis oder kritischer Erkrankung (auf der ICU) können 6-7 mg/kg/Tag erforderlich sein.
Die Dosis hängt von der Plasmakonzentration ab: Die niederländische Vereinigung der Krankenhausapotheker (NVZA) empfiehlt, die erste Bestimmung vor der zweiten Verabreichung durchzuführen. Wenn Gentamicin nur empirisch verwendet wird, kann die Spiegelbestimmung entfallen.
Infektion bei Hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie (HIE) behandelt mit Hypothermie
Intravenös
Schwangerschaftsdauer ≥ 36 Wochen
Postnatales Alter
0 Tage
bis
1 Tag
Anpassung bei Nierenfunktionsstörung wie angegeben:
GFR 50-80 ml/min/1.73 m2
Dosisreduktion: Je nach Spiegel (siehe Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen). Verlängerung des Intervalls: 24-48 Stunden
GFR 30-50 ml/min/1.73 m2
Dosisreduktion: Je nach Spiegel (siehe Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen). Verlängerung des Intervalls: 48 Stunden
GFR 10-30 ml/min/1.73 m2
Dosisreduktion: Je nach Spiegel (siehe Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen). Verlängerung des Intervalls: 48 Stunden
GFR < 10 ml/min/1.73 m2
Dosisreduktion und Intervallverlängerung: Je nach Spiegel (siehe Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen)
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern
Ototoxizität und Nephrotoxizität
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein
Störungen der Nierenfunktion (bei 10% der Patienten)
Die vollständige Auflistung aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Kontraindikationen allgemein
Überempfindlichkeit gegen Aminoglykoside
Vorschädigung des Vestibular- und Cochlearorgans
Myasthenia gravis
Die vollständige Auflistung aller Gegenanzeigen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern
Während der Behandlung regelmäßig Nieren-, Gehör- und Gleichgewichtsfunktionen kontrollieren, vor allem bei Kleinkindern, Neugeborenen und Frühgeborenen (Kreatinin zweimal pro Woche bestimmen). Bei Nierenfunktionsstörungen ist die Kumulation von Gentamicin möglich. Eine Überwachung der Serumkonzentration wird empfohlen.
Anzustrebende Spiegel bei Neugeborenen und Kindern (NVZA TDM Gentamicin)
Neugeborene (Touw 2009, SmPC Refobacin):
Spitze: 8-12 mg/L (bei Infektionen mit Mikroorganismen mit MIC < 1 mg/L) Talspiegel: <0,5-1 mg/L
Kinder über 1 Monat:
Spitze: 15-20 mg/L Talspiegel: <0,5-1 mg/L
Vorsicht bei pädiatrischen Patienten während einer ECMO-Therapie: Die Pharmakokinetik von Aminoglykosiden kann verändert sein (Buck 2003 Moffett 2018).
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein
Vorsicht bei neuromuskulären Erkrankungen und bei eingeschränkter Nierenfunktion.
Kontinuierliche Überwachung (vor, während und nach der Therapie) der Nieren-, Vestibularis- und Cochlearisfunktion, der Leberwerte und des Blutbilds.
Bei lokaler Anwendung ist eine systemische Resorption möglich.
Auf ausreichend Flüssigkeitszufuhr (1 – 2 L täglich) bei adäquater Diurese ist zu achten.
Bei schweren Infektionen und in der Initialphase bei noch unbekanntem Erreger empfiehlt sich die Kombination mit einem Penicillin oder Cephalosporin.
Allergische Reaktionen sind möglich.
Zwischen zwei Aminoglykosid-Therapieintervallen sollten 7 – 14 therapiefreie Tage liegen.
Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhoe und pseudomembranöse Colitis sind aufgetreten.
Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Wechselwirkungen
Vorsicht bei gleichzeitiger Anwendung mit anderen oto- und nephrotoxischen Arzneistoffen wie Amphotericin B, Cephalosporinen, Colistin, Ciclosporin, Methoxyfluran oder Cisplatin und Schleifendiuretika wie Furosemid
Eine neuromuskuläre Blockade durch Aminoglykoside kann bei zeitgleicher Anwendung von Muskelrelaxantien vom nicht depolarisierenden Typ oder Ether verstärkt werden
Synergistische Wirkungen mit Acylamino-Penicillinen (z.B. Piperacillin) auf Pseudomonas aeruginosa, mit Ampicillin auf Enterokokken und mit Cephalosporinen auf Klebsiella pneumoniae
Gentamicin darf nicht gleichzeitig mit Agalsidase alfa und Agalsidase beta angewendet werden
Antibiotika-Wechselwirkungen allgemein:
Antibiotika können die Immunantwort auf bakterielle Lebendimpfstoffe reduzieren (z.B. Vivotif®: 3 Tage vor und nach Antibiotikatherapie sollte Vivotif® nicht angewendet werden, bei Antibiotika mit Langzeitwirkung, z.b. Azithromycin, muss ein längerer Abstand eingehalten werden)
Aminoglykoside und Beta-Laktame können durch chemische Reaktion inaktive Amide bilden. Deshalb dürfen sie nicht über denselben Infusionszugang verabreicht werden.
Die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten kann beeinflusst werden. Eine Kontrolle der Gerinnungsparameter (INR) wird empfohlen.
Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
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