Hintergrund
Propylenglykol (1,2-Dihydroxypropan oder 1,2-Propandiol) ist eine klare, farblose, viskose und nahezu geruchlose Flüssigkeit, die u.a. mit Wasser mischbar ist (3). In pharmazeutischen Darreichungsformen dient es als Lösungsmittel, u.a für orale, topische und parenterale Arzneimittel. Es wird insbesondere für schwer wasserlösliche Wirkstoffe wie Phenobarbital, Phenytoin und Diazepam verwendet. Zudem findet es häufig Anwendung in injizierbaren Multivitaminkonzentraten und als Konservierungsmittel (2, 3).
Nach oraler, rektaler oder – bei gestörter Hautbarriere – kutaner Verabreichung wird Propylenglykol resorbiert. Die pharmakokinetischen Parameter sind bei oraler und intravenöser Applikation vergleichbar (3). Unter normalen Bedingungen wird ein Teil des Propylenglykols unverändert über die Nieren ausgeschieden. Ein weiterer Teil wird in der Leber durch die Alkoholdehydrogenase zu Lactaldehyd und anschließend durch die Aldehyddehydrogenase zu Lactat umgewandelt. Dieses wird weiter zu Pyruvat, Wasser und Kohlendioxid metabolisiert. Der verbleibende Anteil wird mit Glucuronsäure konjugiert und mit dem Urin ausgeschieden (1,3).
Unerwünschte Wirkungen
Propylenglykol gilt allgemein als sicherer pharmazeutischer Hilfsstoff. Allerdings kann es bei sehr hohen Dosierungen oder in empfindlichen Patient*innengruppen – insbesondere Neugeborenen, Kleinkindern sowie Personen mit eingeschränkter Nieren- oder Stoffwechselfunktion – zu Nebenwirkungen kommen (4).
Folgende unerwünschte Wirkungen wurden im Zusammenhang mit der Verwendung von Propylenglykol als Hilfsstoff in verschiedenen Arzneimitteln beobachtet:
Klinische Abweichungen treten bei höheren Propylenglykol-Konzentrationen (Erwachsene: 1040–1440 mg/L) auf, während metabolische Anomalien bereits bei etwas niedrigeren Werten (Erwachsene: 580–1270 mg/L) beobachtet wurden (3).
Eine Propylenglykol-Intoxikation sollte in der Differentialdiagnose berücksichtigt werden, wenn eine unerklärliche Anionenlücke, metabolische Azidose, Hyperosmolalität und/oder klinische Anomalien vorliegen (5).
Bei oraler Einnahme kann der hohe osmotische Druck eine abführende Wirkung haben. Bei topischer Anwendung kann es zu Kontaktdermatitis kommen (2).
Kinder
Die metabolische und renale Clearance von Propylenglykol ist bei Säuglingen und Kleinkindern geringer als bei Erwachsenen. Pädiatrische Patient*innen unter 4 Jahren (2) verfügen über einen noch unreifen Metabolismus, da die Alkoholdehydrogenase-Aktivität eingeschränkt ist. Zudem ist die renale Clearance von Propylenglykol bei Früh- und Neugeborenen deutlich niedriger als bei Erwachsenen (15 % vs. 45 %) (1).
Bei Neugeborenen wurde eine signifikant längere Halbwertszeit im Vergleich zu Erwachsenen festgestellt (16,9 h vs. 5 h) (2). Dies erhöht das Risiko einer Akkumulation, insbesondere bei Leberfunktionsstörungen oder einer kompetitiven Hemmung des Metabolismus – etwa durch die gleichzeitige Verabreichung eines anderen Substrats der Alkoholdehydrogenase. Besonders gefährdet sind Neugeborene und sehr junge Säuglinge mit einer noch unreifen Nierenfunktion (3).
Die wichtigste toxische Wirkung ist eine ZNS-Depression. Daher sollten Produkte mit hohen Propylenglykol-Konzentrationen bei Kindern unter 4 Jahren nicht angewendet werden (2).
Die Verabreichung folgender Mengen an Propylenglykol gilt als sicher:
Kinder bis zu 1 Monat: 1 mg/kg/Tag
Kinder ab 1 Monat bis 5 Jahre: 50 mg/kg/Tag
Kinder ab 5 Jahren: 500 mg/kg/Tag
Die oben genannten (konservativen) Grenzwerte wurden von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auf Basis der verfügbaren Literatur festgelegt. In Einzelfällen kann eine Überschreitung dieser Werte unvermeidbar sein. Dies muss immer nach sorgfältiger Prüfung von Alternativen und Abwägung von Nutzen und Risiken erfolgen (1, 4).
Für die intravenöse und die orale Verabreichung gelten dieselben Grenzwerte, da die orale Bioverfügbarkeit bei nahezu 100% liegt. Für die topische Verabreichung (einschließlich Inhalation) werden dieselben Grenzwerte genannt. Bei kutaner Verabreichung dringt Propylenglykol nicht in die intakte Haut ein, wohl aber in die verletzte Haut, und zwar in einem variablen, schwer vorhersehbaren Ausmaß, das von der Schwere der Hautschädigung (von Ausschlag bis hin zu Verbrennungen) abhängt (1).
Referenzen:
1. European Medicines Agency. Questions and answers on propylene glycol used as an excipient in medicinal products for human use (EMA/CHMP/704195/2013), Stand: 09.10.2017
2. European Medicines Agency. REFLECTION PAPER: FORMULATIONS OF CHOICE FOR THE PAEDIATRIC POPULATION (EMEA/CHMP/PEG/194810/2005), Stand: 28.07.2006
3. European Medicines Agency. Background review for the excipient propylene glycol (EMA/CHMP/334655/2013), Stand: 20.11.2014
4. European Medicines Agency. Annex to the European Commission guideline on ‘Excipients in the labelling and package leaflet of medicinal products for human use’ (SANTE-2017-11668) (EMA/CHMP/302620/2017/DE) - Revision 2, 22.07.2022, aufgerufen am 07.01.2025
5. Cawley, M.J., Short-term lorazepam infusion and concern for propylene glycol toxicity: case report and review. Pharmacotherapy, 2001. 21(9): p. 1140-4