Pharmakodynamik
Hydrochlorothiazid (HCT) ist ein Thiaziddiuretikum, das primär eine Mehrausscheidung von Elektrolyten bewirkt und sekundär durch das osmotisch gebundene Wasser den Harnfluss vergrößert. HCT hemmt reversibel im distalen Tubulus den Natrium-Chlorid-Cotransporter, sodass Natrium und Chlorid nicht rückresorbiert werden und folglich die Ausscheidung der Ionen und Wasser steigt. Auch die Kalium- und Magnesiumausscheidung nimmt durch HCT zu, wohingegen die Calciumausscheidung über die Nieren vermindert wird. Bei hypertensiven Patienten hat HCT einen blutdrucksenkenden Effekt. Bei Patienten mit renalem und ADH-sensiblem Diabetes insipidus wirkt HCT antidiuretisch.
Pharmakokinetik bei Kindern
Keine Informationen
Dosierungen
Diurese, arterielle Hypertonie, nephrogener Diabetes insipidus, Hypercalciurie, Bronchopulmonale Dysplasie |
|
Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate
GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.
GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern
Studien an Erwachsenen haben gezeigt, dass eine längere Anwendung von Hydrochlorothiazid die Haut anfälliger für Schäden durch UV-Strahlung macht und somit Hautkrebs verursachen kann (Pedersen 2018). Es ist nicht bekannt, ob der gleiche Effekt bei Kindern auftritt.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein
Folgende UAW wurden sehr häufig, häufig oder gelegentlich beobachtet (≥ 0,1 %):
Hypokaliämie (vor allem bei höherer Dosierung und Anstieg der Blutlipide), Hyponatriämie, Hypomagnesiämie und Hyperurikämie, Sehstörungen (besonders in den ersten Behandlungswoche), orthostatische Hypotonie (kann durch Alkohol, Anästhetika oder Sedativa verstärkt werden), Appetitverlust, leichte Übelkeit und Erbrechen, Urtikaria und andere Hautausschläge, Impotenz
Folgende UAW wurden zudem selten, sehr selten (< 0,1 %) oder mit unbekannter Häufigkeit beobachtet:
Thrombozytopenie (manchmal mit Purpura), Hypercalciämie, Hyperglykämie, Glykosurie, Verschlechterung einer diabetischen Stoffwechsellage, Kopfschmerz, Schwindel oder Benommenheit, Schlafstörungen, Depressionen und Parästhesien, Herzrhythmusstörungen, Abdominalbeschwerden, Verstopfung, Diarrhoe und gastrointestinale Beschwerden, Photosensibilisierung, Leukopenie, Agranulozytose, Knochenmarkdepression und hämolytische Anämie, hypochlorämische Alkalose, nekrotisierende Vaskulitis, respiratorische Beschwerden einschließlich Pneumonitis und Lungenödem, Pankreatitis, intrahepatische Cholestase oder Ikterus, Epidermolysis acuta toxica, Lupus-erythematodes-ähnliche Reaktionen und Reaktivierung eines Lupus erythematodes, interstitielle Nephritis, Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautausschläge, Fieber, Anaphylaxie und toxische epidermale Nekrolyse (TEN), Sialadenitis, akutes Engwinkelglaukom, akute Myopie, Aderhauterguss, Nicht-melanozytärer Hautkrebs (Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom)
Die vollständige Auflistung aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Kontraindikationen allgemein
- Überempfindlichkeit gegen andere Thiazide und Sulfonamide
- schwere Nierenfunktionsstörungen (Niereninsuffizienz mit Oligurie oder Anurie; Kreatinin-Clearance < 30 ml/min und/oder Serumkreatinin > 1,8 mg/100 ml)
- akute Glomerulonephritis
- Koma und Präkoma hepaticum
- Hypotonie (< 90 mmHg systolisch)
- Bradykardie (< 50 Schläge/min)
- Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypovolämie, Hypercalciämie
- Gicht
Die vollständige Auflistung aller Gegenanzeigen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern
Vorsicht bei Arrhythmien, Verwendung von Digoxin oder Corticosteroiden. Bei niedrigem Kaliumwert (<3,5 mmol/l) sollte zusätzlich Spironolacton verordnet werden.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein
- Bei bestehender schwerer Niereninsuffizienz (glomeruläre Filtrationsrate < 30 ml/min und/oder Serumkreatinin > 1,8 mg/100 ml) ist Hydrochlorothiazid unwirksam und, da die glomeruläre Filtrationsrate weiter gesenkt wird, sogar schädlich.
- Während der Therapie mit Hydrochlorothiazid besteht die Gefahr des Auftretens einer Hypomagnesiämie. Als Anzeichen einer Hypomagnesiämie können allgemeine Schwäche, Reizbarkeit, Depression, Lethargie, Tremor, Arrhythmien und QT-Veränderungen auftreten. Oftmals ist eine Hypomagnesiämie auch von einer Hypokalzämie und/oder Hypokaliämie begleitet.
- Eine besonders sorgfältige Überwachung ist erforderlich bei zerebrovaskulären Durchblutungsstörungen, koronarer Herzkrankheit, manifestem oder latentem Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz bei einem Serumkreatinin von 1,1 – 1,8 mg/100 ml bzw. leichter Einschränkung der Kreatinin-Clearance (30 – 60 ml/min), eingeschränkter Leberfunktion.
- Die Therapie ist abzubrechen bei therapieresistenter Entgleisung des Elektrolythaushalts, orthostatischen Regulationsstörungen, Überempfindlichkeitsreaktionen, ausgeprägten gastrointestinalen Beschwerden, zentralnervösen Störungen, Pankreatitis, Blutbildveränderungen (Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie), akuter Cholezystitis, Auftreten einer Vaskulitis, Verschlimmerung einer bestehenden Kurzsichtigkeit, Serumkreatinin-Konzentration > 1,8 mg/100 ml bzw. Kreatinin-Clearance < 30 ml/min.
- Photosensibilisierende Wirkungen von HCT könnten zur Entstehung von nicht-melanozytärem Hautkrebs (NMSC) beitragen. Patienten, die HCT einnehmen, sollten ihre Haut regelmäßig auf neue Läsionen prüfen. Den Patienten sind mögliche vorbeugende Maßnahmen zu empfehlen, um das Risiko von Hautkrebs zu minimieren; z.B. Einschränkung der Exposition gegenüber Sonnenlicht und UV-Strahlung oder im Fall einer Exposition Verwendung eines angemessenen Sonnenschutzes. Verdächtige Hautveränderungen sind unverzüglich zu untersuchen, ggf. einschließlich histologischer Untersuchungen von Biopsien. Bei Patienten, bei denen bereits ein NMSC aufgetreten ist, ist die Verwendung von HCTZ zu überdenken
- Während einer Langzeittherapie mit Hydrochlorothiazid sind die Serumelektrolyte (insbesondere Kalium-, Natrium-, Calcium-Ionen), Kreatinin und Harnstoff, die Serumlipide (Cholesterin und Triglyzeride), die Harnsäure sowie der Blutzucker regelmäßig zu kontrollieren.
- Während der Behandlung mit Hydrochlorothiazid haben die Patienten auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme zu achten und wegen erhöhter Kaliumverluste kaliumreiche Nahrungsmittel zu sich zu nehmen (z.B. Bananen, Gemüse, Nüsse). Die Kaliumverluste können durch gleichzeitige Therapie mit kaliumsparenden Diuretika vermindert oder verhindert werden.
- Bei Patienten mit Morbus Addison sind Thiazid-Diuretika nicht anzuwenden.
- Sulfonamide und Sulfonamid-Derivate können eine idiosynkratische Reaktion auslösen, die zu einem Aderhauterguss mit Gesichtsfelddefekt, transienter Myopie und zu einem akuten Engwinkelglaukom führen können. Zu den Symptomen gehören das akute Einsetzen verminderter Sehschärfe oder Augenschmerzen, welche typischerweise innerhalb von Stunden bis Wochen nach Behandlungsbeginn auftreten. Eine Sulfonamid- oder Penicillin Allergie kann ein Risikofaktor für die Entstehung eines akuten Engwinkelglaukoms sein
- Ein latenter Lupus erythematodes kann möglicherweise durch Thiazide aktiviert werden.
Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Wechselwirkungen
Interaktionspartner |
Grund |
Handlungsempfehlung |
Amantadin |
Verminderte Clearance von Amantadin - Amantadin-Intoxikation möglich |
Kombination vermeiden |
Süßholz |
Verstärkte Kaliumverluste möglich - Gefahr der Hypokaliämie |
Süßholzwurzel-haltige-Präparate während der Behandlung mit kaliuretischen Diuretika vermeiden |
Photosensitizer (5-Amino-4-oxopentansäure, Methox-salen, Methyl-5-amino-4-oxopentanoat, Padeliporfin, Porfimer natrium, Temoporfin, Verteporfin) |
Verstärkte phototoxische Effekte |
Phototoxische Arzneimittel mindestens 10 Tage vor Anwendung des Photosensitizers und bis einige Tage danach absetzen oder durch Behandlungen ohne phototoxische Eigenschaften ersetzen |
Amphotericin B |
Erhöhtes Risiko von Hypokaliämien, Nephrotoxizität |
regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion und Serumelektrolyte (besonders Kalium und Magnesium) |
Digitalis-Glykosid |
Verstärkte Wirkung der Herzglykoside - Gefahr von Herzrhythmusstörungen |
sorgfältige Überwachung der Kaliumkonzentration |
Carbamazepin, Eslicarbazepin, Oxcarbazepin |
Erhöhtes Risiko einer Hyponatriämie |
sorgfältige Überwachung der Natriumkonzentration |
Nicht-steroidale Antiphlogistika (Anwendung > 2 Wochen) |
Verminderte diuretische und antihypertensive Wirkung |
sorgfältige Überwachung von Blutdruck, Herz- und Nierenfunktion, evtl. Höherdosierung von HCT |
Lithium |
Anstieg der Lithium-Konzentration mit erhöhtem Risiko für Nebenwirkungen |
gleichzeitige Behandlung vermeiden wenn keine engmaschige Überwachung der Lithiumkonzentration möglich ist |
Colestyramin, Colestipol |
Verminderte Wirksamkeit der Thiazid-Diuretika |
Thiazid-Diuretika sollen mindestens 1-4 Stunden vor oder 4 Stunden nach Anionenaustauschern eingenommen werden |
Vitamin-D-Derivate |
Erhöhtes Risiko einer Hypercalciämie |
Vitamin-D nur unter ärztlicher Kontrolle einnehmen und Überwachung der Calciumkonzentration |
Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
LOW-CEILING-DIURETIKA, THIAZIDE
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
Referenzen
-
Rademaker C.M.A. et al, Geneesmiddelen-Formularium voor Kinderen [Arzneimittelformularium für Kinder], 2007
-
Apotex Europe BV, SPC hydrochloorthiazide (RVG 52650) 13-12-2011, www.geneesmiddeleninformatiebank.nl
-
Pharmachemie BV, SPC Hydrochloorthiazide (RVG 09640) 02-04-2015, www.geneesmiddeleninformatiebank.nl
-
Smoyer, W. E. , Medical management of postobstructive polyuria, Am J Dis Child, 1991, 145 (12), 1345-8
-
Rascher, W , Congenital nephrogenic diabetes insipidus-vasopressin and prostaglandins in response to treatment with hydrochlorothiazide and indomethacin, Pediatr Nephrol, 1987, 1 (3), 485-90
-
Monnens, L. , Response to indomethacin and hydrochlorothiazide in nephrogenic diabetes insipidus." , Clin Sci (Lond), 1984, 66(6), 709-15
-
Knoers, N. , Amiloride-hydrochlorothiazide versus indomethacin-hydrochlorothiazide in the treatment of nephrogenic diabetes insipidus, J Pediatr , 1990, 117(3), 499-502
-
Kirchlechner, V. , Treatment of nephrogenic diabetes insipidus with hydrochlorothiazide and amiloride, Arch Dis Child, 1999, 80 (6), 548-52
-
Andersen, O , The renin-aldosterone system in nephrogenic diabetes insipidus and the influence of hydrochlorothiazide and indomethacin, Acta Paediatr Scand, 1983, 72 (5):, 717-20
-
Engelhardt B et al. , Effect of spironolactone-hydrochlorothiazide on lung function in infants with chronic bronchopulmonary dysplasia., J Pediatr., 1989, Apr;114(4 Pt 1), 619-24
-
Albersheim SG et al, Randomized, double-blind, controlled trial of long-term diuretic therapy for bronchopulmonary dysplasia., J Pediatr, 1989, Oct;115(4), 615-20
-
Weigert A et al. , Nephrolithiasis and Nephrocalcinosis in Childhood-Risk Factor-Related Current and Future Treatment Options., Front Pediatr., 2018, Apr 12;6, 98
-
Reusz GS et al. , Hydrochlorothiazide treatment of children with hypercalciuria: effects and side effects. , Pediatr Nephrol., 1993, Dec;7(6), 699-702
-
Naseri M et al. , Role of high-dose hydrochlorothiazide in idiopathic hypercalciuric urolithiasis of childhood. , Iran J Kidney Dis., 2011 , Jul;5(3), 162-8
-
el-Dahr S et al, Hypercalciuria in the premature infant: influence of diuretic therapy and phosphate depletion., Am J Dis Child, 1988, Mar;142(3), 256-7
-
Choi JN et al., Low-dose thiazide diuretics in children with idiopathic renal hypercalciuria. , Acta Paediatr, 2011 , Aug;100(8), e71-4
-
Flynn JT et al. , Clinical Practice Guideline for Screening and Management of High Blood Pressure in Children and Adolescents., Pediatrics. , 2017 , Sep;140(3), pii: e20171904
-
Mylan Pharmaceuticals Inc., FDA label Hydrochlorothiazide, www.accessdata.fda.gov, 2011, May
-
Werkgroep Neonatale Farmacologie NVK sectie Neonatologie [Arbeitsgruppe Neonatale Pharmakologie NVK Arbeitsgruppe Neonatologie], Expert opinie [Expertenmeinung], 17. September 2018
-
Pedersen, SA et al., Hydrochlorothiazide use and risk of nonmelanoma skin cancer: A nationwide case-control study from Denmark, JAAD, 2018, 78(4), 673-81
-
G.L. Pharma GmbH, HCT Tabletten 50 mg (1-27253), aufgerufen am 27.05.2021, https://aspregister.basg.gv.at/aspregister/
Änderungsverzeichnis
- 20 Oktober 2021 11:59: Neue Monographie
Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)
Überdosierung