Pharmakodynamik
Esketamin (rechtsdrehendes Isomer des Ketamin) ist ein Anästhetikum mit analgetischen Eigenschaften. Gleichzeitig bewirkt es eine sogenannte dissoziative Anästhesie. Die analgetische Wirkung tritt bereits bei subdissoziativen Dosen auf und überdauert die Anästhesie. Diese erwünschten pharmakologischen Effekte werden in erster Linie auf die Blockade der NMDA-Rezeptoren durch Esketamin zurückgeführt.
Trotz der direkt negativ kardial inotropen Wirkung wirkt Ketamin dosisabhängig direkt anregend auf das ZNS mit gesteigertem Sympathikotonus. Dadurch führt Ketamin zu kardiovaskulären Wirkungen, die einer Stimulation des sympathischen Nervensystems gleichen (erhöhter Blutdruck und erhöhter Druck im Lungenkreislauf, Steigerung der Herzfrequenz, des Herzzeitvolumens, der Herzarbeit und des myokardialen Sauerstoffbedarfs). Der systemische Gefäßwiderstand und der linksventrikuläre enddiastolische Druck bleiben normalerweise unverändert. Ketamin bewirkt keine signifikante Atemdepression, wenn es alleine angewendet wird. Außerdem bleibt der Skelettmuskeltonus der oberen Atemwege erhalten, genau wie auch die Atemwegsreflexe. Esketamin besitzt lokalanästhetische Eigenschaften.
Pharmakokinetik bei Kindern
Pharmakokinetische Daten während einer Sevofluran-Narkose bei 20 Kindern (1-7 Jahre) nach Verabreichung von Esketamin 2 mg/kg/Dosis (Weber 2004):
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Esketamin |
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Esnorketamin |
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Cmax (ng/mL) |
Tmax (min) |
Cmax (ng/mL) |
Tmax (min) |
Intranasal Mittelwert ± SD (range) |
355 ± 172 (152-732) |
18 ± 13 (2-40) |
90 ± 128 (8-425) |
50 ± 11 (40-60) |
Intravenös Mittelwert ± SD (range) |
1860 ± 883 (1078-4035) |
3 ± 1 (2-5) |
429 ± 277 (62-1033) |
40 ± 16 (20-60) |
Bei einem Kind in der intranasalen Gruppe kam es zu einer schnellen und hohen Resorption von Esketamin mit einer Spitzenplasmakonzentration von 732 ng/mL nach 2 min, die nach 60 Minuten auf 274 ng/mL abfiel.
Pharmakokinetische Daten während Langzeitsedierung auf der pädiatrischen Intensivstation nach einer Initialdosis von 0,5-2 mg/kg i.v. als Bolus und einer Erhaltungsdosis bei Neugeborenen von 0,1-1,8 mg/kg/Stunde und bei Säuglingen von 0,3-3,6 mg/kg/Stunde (Flint 2017):
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Geschätztes Vd (V1) zentrales Kompartment |
Geschätztes Vd (V2) peripheres Kompartment |
Geschätzte Clearance Cl (Esketamin) |
Geschätzte Clearance Cl (Esnorketamin) |
i.v. |
7,73 L/70 kg |
545 L/70 kg |
112 L/h/70 kg |
53,2 L/h/70 kg |
Zulassung der Dosierungsempfehlungen
in Kindermedika.at
- Analgosedierung auf der Intensivstation und Anästhesie während Operationen
- Intravenös, intramuskulär
- Postoperative Analgesie zusätzlich zu anderen Analgetika (beatmete und nicht-beatmete Patienten)
- Prozedurale Sedierung und Analgesie
Auszug aus Fachinformation
Auszug aus Fachinformation
Textauszug aus Fachinformation
Intravenös, Intramuskulär,
- zur Einleitung und Durchführung einer Allgemeinanästhesie ggf. in Kombination mit Hypnotika
- zur Anästhesie und Analgesie in der Notfallmedizin
- zur Analgesie bei künstlicher Beatmung (Intubation)
Bei Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen in einem Alter von 0 bis 18 Jahren:
Die Dosierung von Esketamin bei Subgruppen von pädiatrischen Patienten unterschiedlichen Alters wurde nicht ausreichend untersucht. Anhand der beschränkten vorliegenden Daten ist nicht zu erwarten, dass die Dosis bei Kindern und Jugendlichen sich wesentlich von jener bei Erwachsenen unterscheidet.
Einleitung einer Allgemeinanästhesie: 0,5 - 1 mg Esketamin/kg KG i.v. bzw. 2 - 4 mg/kg KG i.m.; zur Aufrechterhaltung wird die halbe Initialdosis bei Bedarf nachinjiziert, im Allgemeinen alle 10 - 15 Minuten. Alternativ: Dauerinfusion 0,5 - 3 mg /kg KG pro Stunde
Analgesie bei künstlicher Beatmung (intubierte Intensivpatienten): 0,25 mg Esketamin/kg KG als Bolus, anschließend Dauerinfusion von 0,2 - 0,5 (-1,5) mg Esketamin/kg KG pro Stunde bei gleichzeitiger Benzodiazepin-Gabe
Analgesie in der Notfallmedizin: 0,25 - 0,5 mg Esketamin/kg KG intramuskulär bzw. 0,125 - 0,25 mg/kg KG langsam intravenös
(SmPC Ketanest S)
Die aktuellen Fachinformationen können unter https://aspregister.basg.gv.at/ abgerufen werden.
Dosierungen
Analgosedierung auf der Intensivstation und Anästhesie während Operationen |
- Intravenös
- Intramuskulär
-
1 Monat
bis
18 Jahre
[1]
-
2
- 4
mg/kg/Dosis
einmalig.
Wiederholte Gabe: Bei Bedarf kann die halbe Initialdosis alle 10 - 15 min verabreicht werden.
|
Postoperative Analgesie zusätzlich zu anderen Analgetika (beatmete und nicht-beatmete Patienten) |
|
Prozedurale Sedierung und Analgesie |
- Intravenös
-
Neugeborene
[1]
[2]
[18]
[19]
-
0,125
- 0,5
mg/kg/Dosis
langsam i.v.
- Für die prozedurale Sedierung bei Neugeborenen aufgrund der potentiellen Neurotoxizität nur dann verwenden, wenn Alternativen kontraindiziert sind
- Bei Bedarf je nach gewünschter Wirkung titrieren: Niedrigere Dosen werden mit Analgesie assoziiert, höhere Dosen mit prozeduraler Sedierung
-
1 Monat
bis
18 Jahre
[1]
[12]
[13]
[22]
[28]
[29]
[30]
- Nasal
-
4 Monate
bis
18 Jahre
[4]
[7]
[8]
[14]
[16]
[23]
[25]
[26]
-
0,5
- 2
mg/kg/Dosis
einmalig.
- Niedrigere Dosen werden mit Analgesie assoziiert, höhere Dosen mit prozeduraler Sedierung
|
Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate
Keine Informationen zur Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörung vorhanden.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern
Stimulation der Atmung und Herzfunktion. Erhöht den intrakraniellen und intraokulären Druck. Dysphorie. Führt zu Speichelproduktion. Bei Anwendung bei diagnostischen oder therapeutischen Verfahren in den oberen Atemwegen wurden vor allem bei Kindern Laryngospasmen und andere Formen der Atemwegsobstruktion sowie Hyperreflexie verzeichnet. Während der Genesungsphase können psychische Störungen (unangenehme Träume mit oder ohne psychomotorische Aktivität, irrationales Verhalten, Verwirrung) auftreten. Bei Kindern bis 15 Jahren tritt dies seltener auf als bei Erwachsenen.
Bei Neugeborenen wurden potentielle neurotoxische Wirkungen berichtet (Dong 2013, Choudhury 2021).
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein
Folgende UAW wurden sehr häufig, häufig oder gelegentlich beobachtet (≥ 0,1 %):
Aufwachreaktionen, wie z.B. lebhafte Träume, auch unangenehmer Art, Schwindel und motorische Unruhe, Sehstörungen (verschwommenes Sehen), temporäre Tachykardie, Anstieg des Blutdrucks und der Herzfrequenz (ein Anstieg von 20% über den Ausgangswert ist häufig), Erhöhung des Gefäßwiderstandes im Lungenkreislauf und erhöhte Mucussekretion. Erhöhter Sauerstoffverbrauch, Laryngospasmus und temporäre Atemdepression(Das Risiko einer Atemdepression ist normalerweise abhängig von Dosis und Geschwindigkeit der Injektion.), Übelkeit und Erbrechen, erhöhter Speichelfluss (Hypersalivation), tonische und klonische Kontraktionen, die Krämpfen gleichen können (durch erhöhten Muskeltonus), Nystagmus, Hirndrucksteigerung, Doppeltsehen (Diplopie), Zunahme des intraokularen Drucks, morbilliforme Hautrötung, Exanthem, Schmerzen und Erythem an der Injektionsstelle
Folgende schwerwiegende UAW wurden zudem selten, sehr selten (< 0,1 %) oder mit unbekannter Häufigkeit beobachtet:
Anaphylaktische Reaktionen, Hypotonie in Verbindung mit Kreislaufschock
Die vollständige Auflistung aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Kontraindikationen allgemein
- bei Patienten, für die ein erhöhter Blutdruck oder ein gesteigerter Hirndruck ein ernsthaftes Risiko darstellt
- als alleiniges Anästhetikum bei Patienten mit manifesten ischämischen Herzerkrankungen
- in Kombination mit Xanthinderivaten (z.B. Aminophyllin, Theophyllin)
Die vollständige Auflistung aller Gegenanzeigen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern
Aufgrund der Speichelproduktion stets in Kombination mit Atropin verwenden.
Bei diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Bereich der oberen Atemwege ist, insbesondere bei Kindern, mit Reflexsteigerung (Hyperreflexie) und Stimmritzenkrampf (Laryngospasmus) zu rechnen. Bei Eingriffen an Pharynx, Larynx und Bronchialbaum kann daher eine Muskelrelaxation mit entsprechender Beatmung erforderlich sein. (SmPC Esketamin Inresa).
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein
- Esketamin darf als Narkotikum nur durch einen in der Anästhesie oder Notfallmedizin erfahrenen Arzt eingesetzt werden. Esketamin darf nur mit besonderer Vorsicht angewendet werden:
- bei Herzinsuffizienz und unbehandelter Hypertonie
- bei gesteigertem Hirndruck und Schädigungen oder Erkrankungen des Zentralnervensystems, da ein Anstieg des zerebrospinalen Drucks unter der Anwendung von Esketamin beobachtet wurde
- bei erhöhtem Augeninnendruck (Glaukom) und perforierenden Augenverletzungen sowie in Verbindung mit Augenuntersuchungen oder augenchirurgischen Eingriffen, bei denen der Augeninnendruck nicht steigen darf
- an Patienten unter chronischem oder akutem Alkoholeinfluss
- an Patienten, die an schweren psychischen Störungen leiden/litten
- bei unzureichend behandelter Hyperthyreose
- Bei Patienten mit Leberzirrhose oder anderen Formen von eingeschränkter Leberfunktion kann eine Verlängerung der Wirkungsdauer auftreten. Bei diesen Patienten sollte eine Dosisreduktion in Erwägung gezogen werden.
- Bei Gaben von hohen Dosen und schneller i.v. Injektion kann es zum Auftreten einer Atemdepression kommen.
- Die Möglichkeit zur Intubation und Beatmung des Patienten muss bei Anwendung von Esketamin gegeben sein.
- Das Risiko psychischer Reaktionen, die während des Erwachens aus der Anästhesie auftreten, kann in hohem Maße durch die zusätzliche Gabe von Benzodiazepinen verringert werden.
- Vorsicht bei Anwendung bei schwersten Schockzuständen.
- Bei Patienten, die razemisches Ketamin über einen längeren Zeitraum (ein Monat bis mehrere Jahre) erhielten, wurden Fälle von Zystitis, einschließlich hämorrhagischer Zystitis, akuter Nierenschädigung, Hydronephrose und Erkrankung der Harnleiter berichtet, insbesondere bei Missbrauch von Ketamin.
- Hepatotoxizität wurde bei länger dauernder Anwendung (>3 Tage) beobachtet.
- Personen mit Arzneimittelmissbrauch oder –abhängigkeit (auch in der Anamnese) können eine Abhängigkeit oder Toleranz von Esketamin entwickeln. Besondere Vorsicht ist daher sowohl für das Verordnen als auch für die Verabreichung geboten.
Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Wechselwirkungen
Interaktionspartner |
Grund |
Handlungsempfehlung |
Theophyllin, Aminophyllin |
Herabsetzung der Krampfschwelle. |
Bei Patienten mit einem erhöhten Krampfanfall-Risiko zu vermeiden. Erwägen Sie, die Behandlung mit Aminophyllin/Theophyllin zwei bis drei Tage vor der Anwendung von (Es)Ketamin auszusetzen. |
Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
ALLGEMEINANÄSTHETIKA
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
Halogenierte Kohlenwasserstoffe |
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N01AB07
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N01AB08
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Barbiturate, rein |
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N01AF03
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Opioidanästhetika |
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N01AH02
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N01AH01
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Andere Allgemeinanästhetika |
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N01AX10
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Referenzen
-
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Änderungsverzeichnis
- 04 März 2024 09:51: Die wissenschaftliche Literatur über die Anwendung von Esketamin wurde ausgewertet. Dies führte zur Aufnahme einer neuen Indikation "Prozedurale Sedierung und Analgesie"
- 22 August 2022 08:31: Dosierungsempfehlungen wurden auf Basis der Fachinformation ergänzt und angepasst
- 04 März 2021 14:53: Neue Monographie "Esketamin"
Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)
Überdosierung